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Toni Söderholm: Das nächste Trainer-Experiment beim SC Bern

Toni Söderholm im Training mit der deutschen Nationalmannschaft.
Toni Söderholm im Training mit der deutschen Nationalmannschaft.Bild: IMAGO/ActionPictures
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Das nächste Trainer-Experiment in Bern – nun mit einem «halben Jalonen»

Der neue SCB-Trainer Toni Söderholm (44) leitet heute Mittag schon das erste SCB-Training. Er ist ein Zauberlehrling. Wie sein gescheiterter Vorgänger Johan Lundskog (38) hat er vor dem Wechsel nach Bern noch nie eine Klubmannschaft gecoacht. Aber eines ist sicher: Die Unterhaltung wird grandios sein.
16.11.2022, 10:2816.11.2022, 13:05
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Der neue SCB-Trainer Toni Söderholm (44) ist ein Zauberlehrling. Wie sein gescheiterter Vorgänger Johan Lundskog (38) hat er vor dem Wechsel nach Bern noch nie eine Klubmannschaft gecoacht. Aber eines ist sicher: Die Unterhaltung wird grandios sein.

Der 30. März 2022 ist ein Freudentag für das deutsche Eishockey. Toni Söderholm verlängert seinen Vertrag als Bundestrainer (Nationaltrainer) gleich um vier Jahre bis 2026. Bis zu den Olympischen Spielen in Cortina. «Das ist eine richtungsweisende und für den DEB sportlich, aber auch darüber hinaus, extrem wichtige Personalentscheidung», sagt der damalige DEB-Präsident Franz Reindl. «Er ist ein allseits respektierter, anerkannter Trainer, mit dem unsere Nationalspieler zielgerichtet zusammenarbeiten.» Und Toni Söderholm freut sich: «Wir wollen die nächsten Schritte mit dem deutschen Eishockey gehen.» Toni Söderholm, seit der WM 2019 im Amt, 2021 ruhmreicher WM-Viertelfinalsieger gegen die Schweiz in Riga, hat am letzten Wochenende den Deutschland Cup gewonnen.

Das ist die Ausgangslage für den höchst unterhaltsamen gestrigen Dienstagnachmittag. Alles, was vor 230 Tagen gesagt worden ist, gilt nicht mehr. Wie Kanzler Konrad Adenauer einst gesagt hat: «Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern. Es kann mich doch niemand daran hindern, jeden Tag klüger zu werden.» Die Gewährsleute im SCB melden: Toni Söderholm ist der neue SCB-Trainer. Der Chronist ist ein wenig misstrauisch. Kann das sein? Die Gewährsleute in Finnland sagen nämlich: Nein, das wüssten wir. Kann nicht sein. Die Gewährsleute aus Deutschland wiederum verweisen auf den Vierjahreskontrakt und mögen das Gerücht nicht recht glauben.

SCB-Manager Raëto Raffainer verplappert sich allerdings. Er sagt auf Nachfrage nämlich: «Alle bisherigen Spekulationen in den Medien sind falsch.» Tatsächlich ist an der Gerüchtebörse der Name Toni Söderholm nie irgendwo genannt worden. Gar nie. Aha. Treffer.

Der designierte SCB CEO Raeto Raffainer spricht waehrend der Saison-Medienkonferenz des SC Bern, am Montag, 29. August 2022 in Bern.(KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Raëto Raffainer hat seinen neuen Trainer gefunden.Bild: keystone

Also ruft der Chronist Toni Söderholm an. Er antwortet sofort und nun entwickelt sich ein höchst amüsantes Gespräch. So ein Hosentelefon ist halt schon praktisch. Der freundliche Finne hat Sinn für Ironie und Humor und ist so charakterfest, dass er nicht lügen mag. Auch bei hartnäckigem Nachfragen will er partout weder dementieren noch bestätigen (was im Grunde einer Bestätigung gleichkommt …).

Er findet sogar die passende Antwort auf die Frage, ob er den SCB am Samstag gegen Gottéron schon coachen könnte: «Hockeytechnisch ist das machbar. Heute ist Dienstag und dann wäre es ja theoretisch möglich, dass ich noch zwei Trainings mit der Mannschaft machen könnte. Das wären dann etwa gleich viele, wie ich mit der Nationalmannschaft vor dem Deutschland-Cup hatte.»

Nun ist Toni Söderholm neuer SCB-Trainer. Mit Vertrag bis ins Frühjahr 2024. Sportchef Andrew Ebbet sagt: «Toni war als Spieler ein Leader, jetzt ist er es auch als Trainer. Er kann sowohl mit erfahrenen als auch mit jungen Spielern arbeiten und sie entwickeln. Mit seiner Philosophie passt er hervorragend zu unserer Strategie, zu unseren Spielern und zu unserem Staff. Ich bin sehr zufrieden und dankbar, konnten wir mit Toni Söderholm und dem Deutschen Eishockeybund eine Lösung finden.» Die Lösung heisst: Der Vertrag als Nationaltrainer ist per Saldo aller Ansprüche aufgelöst worden. Der SCB muss keine Abfindung bezahlen.

So wird also der neue SCB-Trainer vom Sportchef gelobt. Es sind in etwa die gleichen lobenden Worte, die auch schon bei Johan Lundskogs Ankunft in Bern zu hören waren. Deshalb ohne Bosheit die Frage: Wird Toni Söderholm beim SCB funktionieren? Grundsätzlich gebietet der Anstand, einem Trainer beim Amtsantritt alles Gute zu wünschen und ihn zu rühmen. Erst recht bei einem Amtsantritt in Bern. In der Stadt, in der die letzten zwei Trainer keinen Wintermantel brauchten. Dem Chronisten obliegt allerdings eine etwas differenziertere Beurteilung.

Der SCB wagt erneut ein Trainer-Experiment. Nach Johan Lundskog schon wieder ein Zauberlehrling. Toni Söderholm hat seit dem Ende seiner Spielerkarriere (2016) noch nie ein Profiteam auf dieser Stufe betreut. Er ist noch nie in so grossen Schuhen gestanden. Das Problem sind nicht seine Hockey-Fachkenntnisse. Wie beim gescheiterten Johan Lundskog sind sie unbestritten. Und den SCB kennt er ja aus zwei Jahren als Verteidiger (2005 bis 2007) auch.

Ein Nationalteam für ein oder zwei Wochen zu führen, ist vergleichsweise einfacher. Die Spieler können beliebig aufgeboten und wieder ausgebootet werden. Kommt dazu: Motivation ist selten ein Problem (jeder geht freudig in die nationale Mannschaft, sonst sagt er ab). Es ist eine Auswahl der Besten.

Bei einem Klubteam ist es schon ein wenig schwieriger. Der Trainer muss mit den Spielern auskommen, die ihm der Sportchef zur Verfügung stellt. Die meisten sind keine Nationalspieler. Tag für Tag Training. Darauf achten, dass alle in der Spur bleiben. Disziplin durchsetzen. Erkennen, wenn irgendwo Missstimmung keimt. Keinerlei schlechte Gewohnheiten dulden. Immer positiv sein. Den Leitwölfen flattieren. Die Mitläufer motivieren. Die Aufmüpfigen in den Senkel stellen. Den Genügsamen Beine machen. Die Eiszeit gut verteilen. Die Energie geschickt verwalten. Auf ein gutes Einvernehmen mit dem Sportchef, dem Manager und dem Präsidenten achten. Die Kabine mit Präsenz füllen (Charisma). An der Bande im Pulverdampf der Emotionen den Überblick behalten. Nach Niederlagen gute Ausreden parat haben (die als solche von den Chronistinnen und Chronisten nicht gleich erkannt werden). Im Erfolg bescheiden bleiben. Und in der Regel pro Woche drei Partien.

Dazu wartet auf Toni Söderholm eine Herausforderung, die dem grossen Kari Jalonen erspart geblieben ist: Chris DiDomenico verstehen.

Kari Jalonen hat mit dem SCB dreimal hintereinander die Qualifikation und zweimal den Titel gewonnen, ehe er im Januar 2020 gehen musste. Kari Jalonen war ein grosser SCB-Trainer. Ist Toni Söderholm wie sein Landsmann Kari Jalonen?

Berns Cheftrainer Kari Jalonen beobachtet das Spielgeschehen im Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem SC Bern und Geneve-Servette HC, am Samstag, 26. Oktober 2019 in der Postf ...
Kann Toni Söderholm in die Fussstapfen von Kari Jalonen treten?Bild: KEYSTONE

Sagen wir es etwas polemisch so: Der neue SCB-Trainer ist höchstens ein halber Jalonen. Aber womöglich ein doppelter Lundskog. Taktisch tickt er ähnlich wie Jalonen. Er ist ein Zauberlehrling des ruhmreichen Hexenmeisters. Aber er tritt selbstsicherer, forscher auf als Lundskog. Er kann «böser» sein als sein schwedischer Vorgänger und hat eher mehr Sinn für Ironie und Humor.

Eine interessante Frage bleibt: Warum beschäftigt der SCB schon wieder einen Lehrling als Chef? Es ist schön, dass der SCB Trainer auszubilden versucht. Aber ist der SCB als Bayern München des Hockeys ein Trainer-Ausbildungsklub? Entspricht das dem Selbstverständnis dieser faszinierenden Hockey-Organisation? Bilden die Montréal Canadiens oder die New York Rangers laufend Trainerlehrlinge aus? Wir wollen nicht grübeln.

Als Antwort ein bisschen boshafte Hockey-Küchentisch-Psychologie: Wenn der Trainer ein Lehrling ist, wer ist dann die allerhöchste sportliche Autorität im SCB-Fuchsbau? Sozusagen der Hockey-Papst? Richtig: Raëto Raffainer. Der Erfinder von Patrick Fischer als Nationaltrainer. Der HCD-Erneuerer mit Christian Wohlwend. Wer einen Nationaltrainer erfindet, der uns bis in den WM-Final führt und den HCD nach Arno Del Curto zu erneuern vermag, der kann hockeytechnisch übers Wasser gehen und wird wohl auch beim SCB Trainer-Zauberlehrlinge zu Hexenmeistern machen können. Oder?

Wenn Toni Söderholm nicht «funktionieren» sollte, dann wird ihm im wertkonservativen SCB-Umfeld eher früher als später vorgehalten, dass er in Deutschland «vertragsbrüchig» geworden ist. Und wenn er scheitern sollte (was die Hockey-Götter verhindern mögen), dann stehen die Jobs von Andrew Ebbett und Raëto Raffainer zur Debatte. Dann hat der SCB nicht ein Trainer-, sondern ein gröberes Führungsproblem.

Möglicherweise war der gestrige Dienstagnachmittag nicht der letzte höchst unterhaltsame SCB-Nachmittag.

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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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besserwisser#99
16.11.2022 10:24registriert September 2019
"Wie BILD aus Insiderkreisen erfuhr, soll Söderholm zudem beim gerade siegreich beendeten Deutschland Cup sehr sauer auf den DEB und besonders auf Sportdirektor Christian Künast gewesen sein und wollte am Wochenende schon hinschmeißen."

Das schreit nach weiterer Recherearbeit
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maylander
16.11.2022 10:17registriert September 2018
Einen Nationaltrainer würde ich nicht als Lehrling bezeichnen. Er ist sich gewohnt mit wenigen Trainings ein Team mit einem System zu formen.
Also genau was der SCB in den nächsten Monaten braucht.
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DonChirschi
16.11.2022 10:23registriert Oktober 2015
Die Habs sind ein schlechtes Beispiel, schliesslich ist dort mit Marty St. Louis auch ein Lehrling (mehr oder weniger erfolgreich) am Werk.
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